Der Latscher Menhir // The Laces Menhir

Eine außergewöhnliche Fundgeschichte // The extraordinary history of the find

Zu den bedeutendsten archäologischen Funden in Latsch zählt der Menhir in der Kirche zu Unserer Lieben Frau auf dem Bichl (genannt Bichlkirche). Der damals für den Raum Vinschgau zuständige Zoneninspektor des Amtes für Bodendenkmäler Dr. Hans Nothdurfter begleitete im Juli 1992 die Restaurierung von Turm und Kirche. Dabei weckte der Altar das besondere Interesse des Archäologen: Der gotische Altar war in der Barockzeit auf allen Seiten mit einer Holzverkleidung versehen worden. Die hölzerne Altarplatte besaß eine rund 40 x 40 cm große Ausnehmung für die Aufnahme des Reliquiars in Form einer quadratischen Steinplatte. In dieser Öffnung waren die girlandenförmige Gürtelpartie und ein dargestellter Dolch eines Menhirs sichtbar, dessen Bedeutung sofort erkannt wurde. Als man nunmehr die barocke Holzverkleidung des gotischen Altars abnahm, kam der gesamte figürlich verzierte Bildstein aus Laaser Marmor zum Vorschein. In Anwesenheit zahlreicher Wissenschaftler und der Medien wurde die Platte von der Altarmensa gehoben, wobei erstmals auch die Rückseite sichtbar wurde. Der bedeutende Fund aus der Kupferzeit kam knapp ein Jahr nach der Entdeckung des Mannes aus dem Eis zum Vorschein.

The menhir found in the church of Our Dear Lady on the Bichl is among the most important archaeological finds in Laces. In July 1992, Dr. Hans Nothdurfter, then area inspector for Val Venosta of the Department for Archaeological Monuments, was responsible for the restauration of both the tower and the church. The altar particularly wakened the interest of the archaeologist: The Gothic altar got a wood panel on all sides during the Baroque period. The wooden altar stone had an opening of about 40 x 40 cm for the reliquary in the form of a square stone slab. In this opening, you could see a garland-shaped belt and a dagger of a menhir whose importance was immediately understood. When the Baroque panel of the Gothic altar was removed, the whole menhir made of Lasa marble came to light. The altar stone was taken from the altar mensa in the presence of numerous scientists and the media and thus the backside was visible for the first time as well. The important find from the Copper Age came to light almost a year after the discovery of Ötzi the Iceman. Even though the majority of menhirs were not found at their original site and despite the fact that some of them had another function when found, the use as an altar stone remains unique. It is not known where the menhir’s original site was but it is presumed that it was not too far away from the church of Our Dear Lady on the Bichl.


Fund des Menhirs in der Kirche Unserer Lieben Frau auf dem Bichl // Church of Our Dear Lady on the Bichl
Fund des Menhirs in der Kirche Unserer Lieben Frau auf dem Bichl // Church of Our Dear Lady on the Bichl


Welche Form hatte er ursprünglich? // What was its original form?

Der Menhir wurde auf das notwendige Maß zugeschlagen, um auf den Altarsockel zu passen. Er wurde oben und unten abgeschlagen und das nicht zufällig: Der untere Teil, der in aufgestellter Position im Boden verankert ist, besitzt meist einen konischen Abschluss. Der obere Teil dagegen ist meist bogenförmig gehalten bzw. besitzt den Ansatz einer Kopfgestaltung. Für die neue Nutzung war es notwendig, mehr oder weniger exakte Kanten zu erreichen. Der Bildstein besaß ursprünglich eine Länge von über 2 Meter, heute ist er nur mehr ca. 1 m lang.

The menhir was knocked into the necessary dimensions to be positioned on the predella. Both the upper and lower part were knocked off and not just by chance: The lower part, which is anchored in the ground in upright position, normally ends in a conic form. The upper part is arch-shaped or has some kind of head. For its new use, it was necessary to get more or less exact edges. The menhir had an original length of more than 2 m, whereas today’s length is just about 1 m.


Der Menhir von Latsch // The Laces menhir
Der Menhir von Latsch // The Laces menhir
Der Menhir von Latsch // The Laces menhir
Der Menhir von Latsch // The Laces menhir


Wie alt ist der Menhir von Latsch? // How old is the Laces menhir?

Das einzigartige Monument wurde im späten 4. bis frühen 3. Jahrtausend v. Chr. geschaffen. Also der Kupferzeit, wie die letzte Periode der Steinzeit genannt wird. Es ist Zeugnis eines über Generationen hindurch gepflegten Kultes, in dessen Mittelpunkt vermutlich eine Ahnen-Helden-Mythologie stand. Zu welchen Anlässen man immer wieder neue Gegenstände ins Bildrepertoire einfügte, bleibt unklar. Vermutlich verbergen sich dahinter verschiedene Generationstakte. Der Bildstein ist Indiz dafür, dass sich im Gebiet von Latsch das religiöse wie politische Zentrum einer Bevölkerungsgruppe befand. Das legen auch Berichte von einem weiteren Menhir aus Latsch aus den 70er Jahren nahe, welcher schließlich außer Landes gelangt sein soll. Nähere Hinweise zum Fundort oder zur bildlichen Gestaltung des Steines liegen nicht vor.

This unique monument was created between the late 4th and the early 3rd millennium BC and thus during the Copper Age as the last period of the Stone Age is called. It is a testimony of a cult cultivated for generations that was probably centered around an ancestor and hero mythology. It remains unclear for which occasions new objects were again and again inserted in the picture repertoire. They probably represent different generations. The menhir is an indication of the fact that a population group had its religious and political center in and around Laces. It is said that another menhir was found in Laces in the 1970s. It was finally taken abroad but there are no information about the site of the find or the pictorial design of the stone.

Die Menhire von Schlanders // The Silandro menhirs

Auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Schlanders wurden vor ein paar Jahren mehrere Menhire gefunden. Diese sind heute in Schlanders ausgestellt und können besichtigt werden. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

Several menhirs were found on the territory of the neighboring municipality of Silandro some years ago. Today, they are exhibited in Silandro and can be visited. More information can be found here.

Was ist ein Menhir? // What is a menhir?

Menhire sind einzeln stehende Steine in menschlicher Gestalt. Die sogenannten Figurenmenhire zählen zu den bedeutendsten noch erhaltenen Kunstwerken unserer Vorgeschichte. Seit mehr als 100 Jahren kennt man solche vor allem in den Mittelmeer- und den angrenzenden Gebieten. Mit dem Ende der Jungsteinzeit und der Entdeckung der Metalle Kupfer und später Bronze und den Ausbau der Handelsbeziehungen gibt es in den europäischen Gesellschaften einen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Es scheint, dass eine Art elitäre Bevölkerungsschicht entsteht, welche Waffen, Werkzeuge und Schmuck aus Metall als Statussymbol trägt. Die neue Ausstattung tritt neben anderen Symbolen und Ornamenten auch auf den Menhiren auf: Auf ihnen sind Waffen und Schmuckelemente wie Spiralen abgebildet. Aufgrund der regional unterschiedlich auftretenden Symbole teilt man sie in verschiedene Gruppen ein. Der Latscher Menhir gehört, wie weitere zwölf Südtiroler Menhire und sieben Trentiner Menhire, der so genannten Etschtalgruppe an. Ihr sind senkrechte Streifen gemein, die als Darstellung eines Fransenmantels gedeutet werden. Die männlichen Stelen zeigen zudem oft Dolche mit dreieckiger Klinge (Typ Remedello). Eine andere Gruppe ist die lombardische Gruppe der Valcamonica am Fluss Oglio und aus dem Veltlin. Menhire treten stets als Gruppe auf, was einen Hinweis auf einen politisch dominanten Familienverband bilden dürfte. Die männlichen Stelen übertreffen in ihrer Größe und Ausstattung deutlich die übrigen. Menhire der Kupferzeit sind Zeugnisse für politisches und territoriales Denken und lassen auf fest gefügte rituelle Praktiken sowie auf religiöse Zentren schließen, die überdies längere Zeit Bestand hatten. Nur in seltenen Fällen geben archäologische Befunde Aufschluss über die Struktur dieser Plätze und über die geübten Praktiken. Die Bildsteine waren meist in exponierter Geländeposition zellenförmig aufgestellt, daneben ist das Entzünden von Feuer sowie das Darbringen von Opfergaben belegt.

Menhirs are single standing stones in the form of humans. The so-called figure menhirs are among the most important still preserved works of art of our prehistory. They have been known for more than 100 years, especially in the Mediterranean regions and its adjacent areas. At the end of the Neolithic period, the discovery of copper and later bronze as well as the expansion of trade led to a social, economic and cultural revival in European societies. It seems that an elite class of society developed. Its members carried weapons, tools and jewellery made of metal as status symbols. The new objects also appeared on the menhirs together with other symbols and ornaments: Weapons and jewelry elements are represented like spirals. They are divided into different groups due to regionally different symbols. The Laces menhir belongs to the so-called Adige Valley group together with twelve other South Tyrolean menhirs and seven menhirs from Trentino. They all have vertical stripes that are interpreted as the representation of a fringed cloak. Furthermore, the male stales often show a dagger with a triangular blade (Remedello type). Another group is the Lombardic group of Valcamonica at the Oglio river and of Valtellina. Menhirs always appear as a group, which might be an indication of a politically dominant family. Male steles considerably top all the others both in size and decoration. Menhirs from the Copper Age are testimonies of political and territorial thinking and imply that there were firmly established ritual practices as well as religious centers, which had existed for a long time. It's only in very rare cases that these archaeological features give information about the structure of these sites or about practiced rituals. Menhirs were normally arranged in cellular form in an exposed position and nearby, there is proof of lighting a fire and presenting offerings.


Der Menhir als Altarplatte // The menhir as an altar stone
Der Menhir als Altarplatte // The menhir as an altar stone


Helden Götter Ahnen? // Heroes, gods or ancestors?

Immer wieder wurden diese Statuen als Götterbilder angesprochen, Sonnensymbole in Verbindung mit den dargestellten Waffen könnten als männliche Gottheit zu verstehen sein, die im Laufe der Kupferzeit um weibliche Züge erweitert wurde und deren Wurzeln in älterneolithischen Muttergottheiten liegen. Dem gegenüber steht die Hypothese auf einen engen Bezug zum Ahnenkult und zur Heroisierung oder Vergöttlichung einzelner herausragender verstorbene Persönlichkeiten. Naheliegend ist, dass die Menhire Persönlichkeiten mit einem hohen Rang abbilden, der sich in der Bewaffnung wie auch in einer Art Ritualgewand zeigt. Inwieweit man in den Stelengruppen einzelne Familien gewissermaßen dynastisch abgebildet sehen darf, muss gänzlich offen bleiben.

These statues were again and again viewed as god images. Sun symbols in combination with represented weapons could be interpreted as male deities that were supplemented by female traits in the course of the Copper Age and whose origins are in earlier Neolithic mother goddesses. In contrast, there is the hypothesis of a close link to the ancestor worship and the heroization or deification of some outstanding dead people. It is, however, undisputed that menhirs represent high-ranking personalities, which can be seen from the weapons and from some kind of ritual robe. It must, however, remain open if single families are to some extent dynastically represented in the groups of steles.
 Source: Hubert Steiner: Latsch in der Urgeschichte, Dorfbuch Latsch

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